Heim in den Tag, der
unterging, gewendet,
Aufblättern wir die Bücher
unsres Lebens:
Sie sollen reden, reden nicht
vergebens
Von Schritt und Tritt, die
lange nun vollendet.
Dem manne Licht giebt, was den
Jüngling blendet,
Zum Flügel wird urkräftigen
Erhebens
Sein Herzeleid, und das noch
wir verweben’s
Als goldnen Faden, was nur
Zufall spendet.
So wird gelernt und so zum
andern Male
Recht leben wir, mehr jetzt
den Stoff bemeisternd.
Ein Blöder nennt dies
Jugendideale
Und vegetiret, Staub mit Staub
verkleisternd;
Doch uns erquickt es, daß die
Vorzeit strahle
Als Kunstwerk in uns, sühnend
und begeisternd.
Wem von der Lava blinder
Leidenschaften
Verschüttet wurde die Erinnerung,
Wer nicht vermag mit festem
Hammerschwung
Das Erz zu läutern, dran die
Schlacken haften,
Der wurde alt. Zur Arbeit ihm
erschlafften
So Herz, wie Hände. Keinem
frischen Trunk
Am Born der Freude bringt er
Huldigung
Und lebt von Grillen, mürrisch
aufgerafften.
Langweilig und gelangweilt in
den Sand
Vergeßnen Grabes rinnt der
Strom des Lebens,
Dem tiefre Bahn gezeichnet
Gottes Hand.
Allein ein warmes Herz giebt
Kraft des Strebens,
Das voll und klar zum Ewigen
gewandt,
Und nur wer jung bleibt, altert
nicht vergebens.
Hat jede Stunde doch ihr
Morgendämmern,
Gesetz und Inhalt, Recht und
Pflicht am Ganzen.
Nicht träumt von Horen, die
voll Anmuth tanzen
Und sterben dann im Klang von
Glockenhämmern!
Die lebte, lebt’
gespensterhaft den Schlemmern,
Dem Narrn ein Räthsel,
Bleigewicht den Schranzen,
Doch frisch und voll für Alle,
die da pflanzen,
Ein Weisheitsborn, der Greise
tränkt gleich Lämmern.
Drum, kämpfend Herz, sei kein
Windmühlenfechter:
Die Wirklichkeit bringt Gold
und Gift entgegen,
Aus ihrem Schoß gewinne dir
den Segen!
Wer dieses Menschenamtes nicht
kann pflegen,
Der zeuget Nacht, nicht Einem
Lichtverächter,
Nein, Schatten über spätere
Geschlechter.
Von ungefähr auf tränendunklem
Pfade
Ein Weihegruß dem Herzen wird
gesendet,
Der still nach innen sein
Verlangen wendet,
Zu lauschen solchem Hirtenruf
der Gnade.
Wie seufzten wir nach einem
frischen Bade
Im Lichte, das erquicket und
nicht blendet
Wie horchten wir, wo guter
Rath gespendet,
Und prüften, welcher heilsam
sei, wer schade.
Doch Weisheit und
Altweibertugend, beide,
So breit gegeben und so laut
gepriesen,
Ach, hatten Nichts, das unsre
Blöße kleide,
Da wir zum Kampf vor allem
Volk gewiesen.
Am Pranger noch wir stünden
jedem Neide,
Wenn Gott nicht sprach: Mein
Frieden sei mit diesen!
Orcan, der wilde Harfner kommt
gegangen
Um Mitternacht auf
schneedurchweichten Pfaden,
Reißt fort das Thurmkreuz,
bricht die Fensterladen,
Den Wettermantel hat er
umgehangen
Zerfetzt und flatternd. Horch,
die Saiten klangen:
Von Meergespenstern, die im
Mondlicht baden,
Von Brand und Schiffbruch
singt er die Balladen,
Den Schwanensang, drin tausend
Herzen sprangen.
Aufkocht der Giesbach, und die
Wildnis dröhnend
Ihm schleudert her die
blitzgetroffnen Eichen;
Der Dämon flieht, mit Pfeifen
sie verhöhnend.
Die Schlummernden, wenn er sie
küßt, erbleichen.
Nur tiefem Elend dünkt sein
Zorn versöhnend:
Es ruht in ihm und ahnet Seinesgleichen.
December kam. Ein müder Rabe
kauert
In meinem Garten auf den
Obstbaum nieder
Und duckt sich tief in’s
struppige Gefieder,
Weil Schneegewölk den Himmel
ihm vermauert.
Kein Sonnenstrahl! Die Seele
fröstelnd schauert,
Stumm reckt der Wald die
leblos kahlen Glieder,
Kein Säuseln in ihm, keine
Finkenlieder,
Kein Quellgeschwätz, er
zittert, starrt und trauert.
Und es wird Nacht,
krystallklar, eisig, lange:
Und dann gleich Engeln
schwebend zu en Hügeln
Mit klarem Antlitz,
feierlichem Gange,
Und Purpur streund, aus
rosenduftgen Flügeln
Hergeht der Christtag und
durch Süd und Norden
Der Jubelruf: Heil, es ist
Licht geworden!
Der Gegenwart zu leben heißt nicht:
Schlürfen
In durstiger Gier den
Reichthum unsres Heute,
Auch nicht erlaubt es, satt
durch fremde Leute,
Zu ruhn, wenn diese Gold des
Lebens schürfen.
Nein: Jetzt gewinnend, was wir
jetzt bedürfen,
Doch nimmermehr, der eitlen
Selbstsucht Beute,
Hinschielen, was der Nachwelt
es bedeute,
So bauen wir in Thaten, in
Entwürfen
Getreu und muthvoll mit am Bau
der Zeiten.
Ob wir, gebückt im Schweiß des
Angesichtes,
Nicht wachsen sehn den Tempel
hoch in’s Blaue,
Nicht glühen ihn im Strahl des
ewgen Lichtes:
Wir wissen, daß, genährt von
jenem Thaue,
Des Menschen Kraft wird
göttlichen Gewichtes.
Auf daß wir Frieden, endlich
Frieden haben,
Wie manche Blüthe fällt vom
Baum des Lebens,
Wie viele Meilen wandern wir vergebens,
Wie fruchtlos sä’n wir, wie
viel wird begraben!
Das Herz wacht auf und will am
Tag sich laben
Und spürt den Zug glückseligen
Erhebens:
Ihm wehrt die Welot voll
trägen Widerstrebens
Und höhnet und verschleudert
seine Gaben.
Doch, such ein Mann gesammelt
nun das Wahre
Und schaut empor mit stillem
Angesichte,
Dann lärmen sie und rütteln am
Altare,
Und selbst die Freunde sitzen
zu Gerichte.
Nur Einsamkeit, Sternnacht und
Todtenbahre,
Ihr bleichen Drei ihm Rug
vergönnt im Lichte.
Ein Pilger, der die Wahrheit
finden wollte,
Kam zögernd, zweifelnd durch
die Welt gegangen,
Und wo er ging, entfärbten
sich die Wangen,
Und wo er sprach, ein
Widerspruch ihm grollte.
Des Wesens Wesen tief sich öffnen
sollte,
Sein Ohr war scharf: die
Harmonien verklangen.
In’s Herz des Bruders kalt die
Blicke drangen:
Und fremd und scheu es
Bitterkeit ihm zollte.
Darum bald einsam, bald auf
langer Reise
Durch fremdes Volk und
Abenteurerzüge
Sucht endlich der von Durst
verzehrte Weise
Nur einen Freund, der ihn zu
Grabe trüge.
Und der ist Liebe. Sie
enthüllt ihm leise
Die Wahrheit aus dem
Raupenschooß der Lüge.
Der Seele müdes Saitenspiel
berühret
Ein
ernstes Wort mit zitternd tiefem Klange
Geheimnisvoll, so oft im
Lebensgange
Durch räthselhafte Wege sie
geführet;
Dies Wort: Warum? das eitel
Qualen schüret,
Wenn Gott Du fragst aus
ungeduldgem Drange;
Doch wenn es gilt, daß
Rechenschaft erlange
Dein eigen Herz, dann täglich dir’s
gebühret.
Warum dies Heimweh aufwärts in
die Freiheit?
Und jetzt warum doch unterthan
dem Staube?
In Einem Wesen warum solche
Zweiheit?
Hier wähnt ein Chaos blinder
Zufallsglaube,
Uns aber giebt erst Kampf des
Hoffens Nahrung
Und jeder Sieg die Friedensoffenbarung.
Wenn
Ihr vom Werk, das zögernd Ihr verlassen,
Im
Dämmerglanze heim die Schritte lenket,
Der
Arbeit gern und gern der Ruhe denket,
Dann
wandelt Euch entgegen durch die Gassen
Manch
müder Mann. Hell leuchten seine blassen
Gefurchten
Züge, klar vom Licht getränket
Des
Heimatsegens, welchen Gott ihm schenket,
Und
Kinder nahn, den Vater zu umfassen.
Euch
freut der Anblick, grüßend geht Ihr weiter.
Kurzsichtige,
kann Euch das Herzblut stocken
Am Thor
des Friedhofs, wenn ein braver Streiter
Zur
Erde neigt die schweißgesalbten Locken?
Sonntag
ist nahe, feiert Samstag heiter:
Er
hört, Ihr ahnt die ewgen Morgenglocken.
Zur Kirche gehn! Wenn diese
Mahnung rufen
Mit Engelsmund des Frühgebetes
Glocken,
Dann wecken sie mein Herz auf;
Träume locken
Es in der Heimath, an des
Friedhofs Stufen.
Dort saß ich einst: Die
Orgelklänge schufen
Dem Knaben Ehrfurcht, seine
Pulse stocken,
Sein Blick gebannt ist, und er
bebt erschrocken,
Als, aufgestört von nahen
Rosseshufen,
Ein Reiter um den Weg ihn
angesprochen.
Das Kind giebt Antwort: „Wir
sind hier zu Hause.“
O Unschuldslippen! Nun die
Fibern pochen
Mir selbst vor Qual: Wohin im
Sturmgebrause?
Dem Manne sagt Ihr, dessen Kraft
gebrochen:
Geduld! Du bist in Gottes Ruh
zu Hause.
Ausrollt das Meer des Tages.
Schöner Hafen
Der sterndurchblühten
Mittnacht, du umspülest
Mit weicher Fluth mein
Lebensschiff und kühlest
Das Haupt des Schiffers. Die
Matrosen schlafen,
Die buntgestellt an Bord
zusammentrafen:
Du Lebensdrang, der frisch im
Kampf dich fühlest,
Du, welcher Bahn durch Eis dir
trotzig wühlest,
mein Argonaut nach stolzen
Epitaphen
Und stillem Glück, Gesang! Im
Vorwärtseilen
Dir Kränze brichst du und die
Andern schelten
Dich darum Zaubrer, aber sie
verweilen
Gern an der Küste deiner
Märchenwelten.
Jetzt Alle ruhet. Morgen sollt
Ihr theilen
Die Arbeit Euch und jeglicher
soll gelten.
In festem Boden wurzelt tief
das Leben,
Drin sichtbar wir des Leibes
Pracht entfalten;
Geboren werden, Wachsen und
Erkalten
Von Erde kommt’s, der Erde
wird’s gegeben.
Nicht Staubesbande hemmen
geistig Streben;
Doch heilige und liebliche
Gewalten
Im Gleichgewicht und fern der
Willkür halten
Ihn, welcher ringt, zum Ewgen
sich zu heben.
Der Geist auch hat sein
Grundgesetz der Schwere:
Die Wahrheit und die
Schönheit, jene Pole,
In die gebannt sind Kunst und
Künstlerehre,
Und deren Kraft beschwingt des
Dichters Sohle.
Wer maßlos schlürft den Trank
der Lichtphiole,
Der stürzt betäubt gleich
Ikarus in’s Leere.
Vier Gärtnerinnen aus dem
Garten Eden,
Des Geistes und der Sehnsucht
Töchter, bitten
Ein Menschenherz um Obdach.
Ihre Sitten
Nicht irdisch sind,
viellieblich all ihr Reden.
Die Älteste, kaum sichtbar für
Jedweden,
Doch wohnet gern in unsres
Volkes Mitten
Und hat sein Leid, sein
tiefstes mitgelitten,
Gehört sein Glück, entzündet
seine Fehden.
Und zwischen Wald und
abendrothen Wellen,
Und zwischen Dermaleinst und
Heut und Gestern,
Wo Träume sich dem Wandrer
still gesellen
Und laut die Nüchternen den
Träumer lästern,
Dort öffnet sie der Ahnung
Lebensquellen:
Er trinkt und schaut: sie
selbst und ihre Schwestern.
Und was sich Wind und
Meereswellen sagen
Und Cedern rauschen und
Gebirge tönen,
Dies alte Wunderlied vom
Heilig-Schönen
Musik, das ist der Athem
deiner Klagen.
Im weichen Flügel deiner Kraft
getragen,
Winkt die Heimath, uns, des
Heimwehs Söhnen,
Dem Frieden lernt die Seele
sich gewöhnen,
Lernt ruhig sein in
unruhvollen Tagen.
Und wenn des Ave Feierlaut
verklungen,
Wie küssest du der Mägdlein
Lippenrosen,
Bis ihre Lieder, länger nicht
bezwungen,
Die Lerche grüßen, mit den
Lüften kosen
Und weihen dir des Kindes
Huldigungen,
Dir, tief vertraut mit allen
Erdenloosen.
Der Pracht, die heute blüht
und morgen bleichet,
Dem Farbenschmuck der
lieblichen Gestalt,
Ihm leiht die dritte Schwester
Allgewalt,
Daß nicht der Hauch des Todes
ihn erreichet.
Ein süßes Lächeln, welches
schnell entweichet,
Vergoßne Thränen, sonst
vergessen bald,
Nun bannen sie, wenn längst
die Herzen kalt,
Den fremden Blick, der spät
darüber streichet.
Und ob Frau Iris siebenfarbig
baut
Aus Nacht ins Licht die
hochgeschwungne Brücke,
Hier ruft ein Mann, mit ihrer
Kunst vertraut,
Des Lebens Schönheit aus dem
Grab zurücke,
Und ernst verklärt die
auferstandne schaut
Wie Mutterlieb herab zu unserm
Glücke.
Dem Orpheus, der die Unterwelt
beschworen,
Dem Geiste füget wachsend sich
der Stein,
Zu tragen in granitnen
Melodein
Das Kreuz bis zu des
Sternenhimmels Thoren,
Und was holdselig formenschön
geboren,
Der Marmor trinkt sein Abbild
tief hinein,
Dem weichen Schmelt will Härte
dienstbar sein,
Die Kraft in ihr wird blühend
neugeboren.
Und wo den Enkel schirmt sein
Ahnenhaus,
Wo ein Palast von Freudenrufen
zittert,
Wo Alter lehrt und Jugend
strebt hinaus,
Wo Haupt und Herz vom
Klosterbann umgittert:
Dort reden Steine, bis im
Zeitgebraus
Ihr Spruch verhallt, ihr
morscher Leib verwittert.
Ein Wandrer bricht vom
starrenden Gemäuer
Der Bergesgipfel, die im
Schneelicht blitzen,
Die Alpenros’ und träumt von
Gletscherspitzen,
Wenn er sie schaut beim
winterlichen Feuer.
So thut der Dichter. Zwar
nicht Abenteuer,
Zur Freiheit tragen über
Wolkensitzen
Ihn Fittige. Wenn Andre
Schweiß verspritzen,
Er zahlt sein Glück mit warmer
Herzblutsteuer.
Und dann herab in’s Thal der
Arbeit steigend,
Auch ihm sind Rosen, ihm ein
Strauß verblieben:
Ein Liederbuch, dem stumpfen
Ohre schweigend,
Dem Sonntagskind mit Klang und
Gluth geschrieben,
Er selbst verspürt, das Haupt
darüber neigend,
Den Heimwehzug, der ihn
emporgetrieben.
Das Bächlein, welches
niederwärts vom Borne
Durch Steine, Blumen, Adern
vielgewunden
Zum breiten Strom hinab den
Lauf gefunden,
Mit ihm vereint ergiebt sich
seiner Norne.
O Lebenswelle, dir, wenn oft
im Zorne
Ein böser Geist aufwacht in
bösen Stunden,
Versiegt der Quell, der deiner
Kraft verbunden,
Und flacher spülst du durch
Gestrüpp und Dorne.
Und dennoch vorwärts! Wenn im
Licht der Sonnen
Du reine Bahn und treu und
tief sie zogest,
Herfluten dir in Zukunft neue
Wonnen.
Du aber, Schwesterbrünnlein,
Dich betrogest,
Seit Du vom Herzen Deines
Stroms entronnen:
Nicht Ruh ist dort, wohin Du
heute wogest.
Und ob dies Auge, diese blaue
Seele,
An die ich einst dahingab all
mein Alles,
Und ob dein Mund in Worten
tauben Schalles
Den stillen Zauber alten
Glücks verhehle,
Ob selber meinem Herzen ich
befehle,
Streng, unberührt vom Spiel
des Wiederhalles
Das Bild zu löschen jenes
tiefen Falles:
Doch Aug in Auge zittert unsre
Seele.
Es war ein Tag und dieser Tag
wird bleiben,
Ein Blick, ein Wort, ein
heißer Kuß, die brennen,
Daß Engel sie in’s ewge
Schuldbuch schreiben.
Jetzt heischet Weltton, uns
nicht mehr zu kennen,
Doch Heuchelei soll Buße nicht
vertreiben:
Ihr Trost vereint, wen ihre
Qualen trennen.
Hat mir’s geträumt? Aus
loderndem Kamine,
An dem ich ruht’,
hinabgetaucht in Schweigen,
Voll Leben sah ich zwei
Gebilde steigen
Und grüßen mich mit
kummerbleicher Miene.
Das Eine sprach: Geh hin
fortan und diene
In Schweiß und Schmerz, bis
wenig Lohn dein eigen,
Das andre dräut: Ich will die
Stirn dir neigen,
Du Freier wähntest, daß ich
nie erschiene.
Mein Herz gab Antwort: Nehmet
nach Gebühren,
Arbeit und Sorge, Dank dieweil
Ihr kamet!
Mich frohnen lasset, aber
helfet schüren
Die Gluthen mir, drin
Eigensucht erlahmet.
Und Harfen will zu Eurem Preis
ich rühren:
Dem Geiste gebt Ihr, was dem Leib
Ihr nahmet.
Gehobnen Hauptes, jung und
stolz, getragen
Vom Schwanenflügel
sehnsuchtsvoller Träume,
So aus dem Schatten meiner
Heimathsbäume
Zog mich’s hinaus zu Kampf und
Saitenschlagen.
Nun steh ich arm nach
ruhelosem Wagen;
Denn Glanz und Glück zerrann
wie gold’ne Schäume,
Und daß mein Herz in Trägheit
nimmer säume,
Die Sorgen ihm am tiefsten
Innern nagen.
Und doch kein Tag, da mein
Geschick ich haßte!
Selbstmörderisch verzweifeln
mag wohl Einer,
Der Gottvertraun und
Lebensmuth verpraßte;
Wem dies geschah, fürwahr, der
Mann ist keiner.
Ein Knabe oft Fortunas Locken
faßte,
Doch wer entsagt, ist
glücklicher, ist reiner.
Das ist die Lerche, die sonst
Kraft geschmettert
Und Jubel mir in meines
Herzens Falten,
Und ist der Mai, durch dessen
Liebeswalten
Am Eichenstamm hinauf die Rose
klettert.
Und drüber hin des Himmels
Rede wettert
Und Wald und Wind die ernste
Zwiesprach halten,
Vor deren Ton sich Kinderhände
falten
Auf’s Bilderbuch, in welchem
sie geblättert.
Des Mannes Herz, ob
mitergriffen heute,
Doch spüret kaum der Adern
rasches Feuer,
Den heißen Duft, das
Frühlingsfestgeläute;
Ihm mehr denn Blüten Früchte
wurden theuer:
Komm, Erntetag, dein Segen ihm
bedeute
Ein stilles Glück und eine
volle Scheuer.
Ist’s denn unmöglich, von den
nichtgen Dingen,
Die tausendfach uns Gram und
Kampf bereiten,
Ist Dir’s unmöglich, wie in
alten Zeiten
Zum Blick in’s Licht Dein Herz
emporzuringen?
O, könntest Du’s! Dann, ruhend
in den Schwingen
Des eignen Friedens, fern den
Eitelkeiten
Der kleinen Selbstsucht,
möchtest Du nicht streiten
Und hättest Muth, Dein bessres
Theil zu bringen.
Glaub mir: Ein Sinn voll
Hochmuth, eng und spröde
Dem fremden Ton, der anpocht,
zugeschlossen,
Ihn dünket bald die eigne
Heimath öde.
Doch glücklich er, den keine
noch so schnöde
Mißlungne Form erschreckt, der
nie verdrossen,
Bis er den Kern der Lebensfrucht
genossen.
Bist du es Lenz mit deiner
Hoffnungslabe?
O komme nur, und wolltest du
mir künden
Den Abschiedsduft aus Thal und
Waldesgründen,
Weil deine Rosen blühen meinem
Grabe:
Dann träumend noch griff ich
zum Wanderstabe
Und, wie von Gott Verzeihung
meiner Sünden,
Die Freunde bät ich, daß sie
zu mir stünden
Mit allem Glück, das ich von
ihnen habe.
Und Vielen dank ich, Vielen,
deren Auge
Mich oft erquickt, gewarnt
hat, oft verstanden,
Auch jenen Andern, wenn mit
scharfer Lauge
Sie Thorheit beizten, die sie
gerne fanden.
Du aber küß mich, Weibchen,
daß ich sauge
Schon Himmelsthau in diesen
Erdenlanden.
Wie Christus vor Pilatus einst
gestanden,
So steht er heut vor uns, des
Tages Söhnen.
Wir hören Volk und Priester
ihn verhöhnen
Und haben Macht, zu lösen ihm
die Banden,
Zu preisen ihn als Herrn ob
allen Landen,
Als unsrer Seele König ihn zu
krönen,
Macht haben wir, der niedern
Furcht zu fröhnen,
Zu kreuzigen ihn, den wir
schuldlos fanden.
Er tritt vor uns: „Wer bin
ich? Jetzt entscheidet,
Was Wahrheit ist?“ Wir müssen
Antwort geben,
Der Tag brach an, der nimmer
Halbheit leidet.
Ist dies ein Mensch, wie andre
Menschen eben,
Nur würdiger, daß Ihr ihn
purpurn kleidet?
Ist dies der Mensch, durch
dessen Tod wir leben?
Er hat das Haupt geneigt und
ist verschieden,
Die Erde klagt in tiefen
Finsternissen,
Doch mitten durch der Vorhang
ist zerrissen:
Uns ruft das Allerheiligste
zum Frieden.
Die Bundeslade, die wir scheu
gemieden,
Weil ihr Gesetz wir
unerfüllbar wissen,
Nicht dräut sie mehr, den
Vater wir nicht missen,
Weil Christus nun den Richter
sühnt hienieden.
Die Todten wandeln, auf die
Gräber springen,
Begraben ist in diesen Tod des
Sterben,
Und die wie sonst verzweifelnd
grabwärts gingen,
Uns führt der Heiland, Leben
zu erwerben.
Christ hat vollbracht! Wir
sollen auch vollbringen:
Sein Kampf erlöst nur Kämpfer
vom Verderben.
Und früh am Sabbath, eh der
Morgen graute,
Maria Magdalena ist gekommen
Und sieht den Stein vom Grabe
fortgenommen
Und kennt nicht Jesum, den sie
vor sich schaute.
Er spricht zu ihr: Maria!
Diesem Laute,
Der ehedem sie heimrief zu den
Frommen,
Aufwacht ihr Herz: Rabbuni!
ruft’s beklommen,
Sie streckt die Hand aus, kaum
dem Blick sie traute.
Der Heiland aber wehrt, ihn
anzurühren
Und sendet sie, zu künden, was
geschehen;
Wo Menschenfurcht verschlossen
hält die Thüren,
Kleingläubige den
Auferstandnen sehen.
Beladnes Herz, willst seine
Nähe spüren,
Laß weinend uns zuvor zum
Grabe gehen.
Nach Emmaus der Jünger Zween
sich wandten
Und da vom Wechsel dieser
Leidenswochen,
Vom Tod, vom Einzug traurig
sie gesprochen,
Naht ihnen Jesus. Ihre Herzen
brannten,
Die Augen aber nicht den Herrn
erkannten,
Bis er das Brod des Abendmahls
gebrochen.
Jetzt wissen sie, warum die
Pulse pochen:
Ihr Heiland ging mit seinen
Abgesandten.
Es geht mit uns, wenn wir ihn
Heiland nennen,
Mittragen tief sein bittres Leid
auf Erden,
Er wandelt mit uns, bis wir
ihn erkennen,
Ihn und zugleich den Segen der
Beschwerden.
Der Tag sich neiget, unsre
Herzen brennen:
Er bleibt bei uns! Nun mag es
Abend werden.
Stehn nicht im Wald einträchtig
Tann und Buche?
Und wenn der Wind die Wipfel
rührt, dann singen
Gemeinsam sie und ihre Harfen
klingen,
Als ob ein Liebestraum
Erlösung suche.
Was aber treibt zum Hader und
zum Fluche
Uns Andere, die frei sind,
darzubringen
Den Geist im Wort und einig
uns zu schwingen
Zur Einen Heimath überm
Grabestuche?
Gieb Antwort, Selbstsucht! Du
erregst mit Schauer
Fleisch wider Fleisch, wenn
sich die Seelen lieben.
Dein Gift ist stark: Der
Frieden hat nicht Dauer,
Bis wir durch Schuld zur
Einsamkeit getrieben.
Ach, darum ist oft mancher
Blick voll Trauer
Und oft ein Blatt im Herzen
unbeschrieben.
Wohl möchten wir in Noth
geduldig werden,
Wohl um des Heiles willen Leid
ertragen,
Bedächten wir, daß Wunden uns
geschlagen
Durch Gottes Engel, wandelnd
auf der Erden.
Wer nun uns kränkt in Worten,
in Geberden,
Nach solchem Zufall warum
mürrisch fragen?
Der blinde Eifer, Feinden
nachzujagen,
In’s Fleisch nur drückt die
Fessel der Beschwerden.
Nein, wie Verirrte ihre Schuld
erzählen
Dem Führer, der dem Irrthum
dann begegnet,
So, wenn Betrübte mit sich
selber schmählen,
Aus ihren Thränen Wohltat auf
sie regnet:
Denn wahrlich, hinter
Menschen, die uns quälen,
Steht unser Heiland, der im
Schmerz uns segnet.
Die Zeit hat Macht, daß alles
Glück sie stehle.
Wohlan: Von dem, was
schmeichelt oder schmücket,
Was Freude bringt und Aug und
Herz entzücket,
Nur Eins begehr ich, das mir
niemals fehle:
Dich, Heiterkeit, du
Sternenglanz der Seele!
Wie Himmelspracht, getrennt,
doch nicht zerstücket,
In’s rechte Maß millionenfach
gerücket,
So unserm Blick die Welt sich
nie verhehle.
Sie lebt und webt nach ewigen
Gesetzen,
Voll Freiheit Jedem und voll
Heils für Alle.
Wer dem vertraut, den wird
kein Zwiespalt hetzen
Durch Schmerz und Hohn, bis er
in’s Chaos falle.
Er schreitet still, ob Dornen
ihn zerfetzen:
Sein Glaube sagt, daß er zum
Frieden walle.
Erst als ein Krauskopf lang
und schmal sich streckend
Voll Ungeduld und Ungeschick
in’s Hohe,
Dann Wurzel fassend und die
halb noch rohe,
Doch volle Kraft zu schönern
Formen weckend,
Allmälig selbst vor Stürmen
nicht erschreckend,
Im Wetter stark erweiset sich
der frohe,
Und, tödtet ihn des jähen
Blitzes Lohe,
Dann dröhnt sein Fall, viel
Tausende bedeckend:
So lebt ein Baum, so wird im
edlen Manne
Dem Blüthenschmuck sich Mark
der Weisheit gatten.
Ihm füllet Gott des Segens
güldne Kanne
Und Keiner sieht den Rüstigen
ermatten;
Er spendet Frucht und einst im
Greisenbanne
Des stillen Herzens
wundervolle Schatten.
Ein langes Leben, groß durch
stille Thaten,
Ein reines Leben, wahr zum
Licht gewendet,
Ein fruchtbar Leben, welches
täglich spendet
Im kleinsten Thun der reichsten
Liebe Saaten:
Ein solches ruht; hinsank der
müde Spaten,
Der treu und tief die Schollen
umgewendet,
Denn Richard Rothe hat in Gott
vollendet
Die Pilgerfahrt, die stets von
Gott berathen.
Wir hatten ihn. Wohlan, ihn
noch zu haben,
Soll uns der Schmerz mit
Freudigkeit begraben,
In unserm Herzen aufersteh der
Todte.
Wo Wissenschaft durch Können
Kraft bekundet,
Wo Liebe siegt und Wahrheit
nie verwundet;
Dort lebt und wirkt ein Jünger
Christi: Rothe.
Nicht zürnt dem Dichter, wenn
im eignen Reime
Er schwer das Haupt und schwer
die Seele wieget:
Die Biene thut es, welche
mühsam flieget,
Betrunken heut vom künftgen
Honigseime.
Wer aber malt die glühend
tiefgeheime
Verzückung, die den spröden
Stoff besieget?
Ob Ihr zum Gipfel der
Erkenntnis stieget,
Ihr schautet nicht die
Werdekraft der Keime.
Und darum Edle, würdig
Wohlgelahrte,
Submissest steh ich: Gönnet
solchen Thaten,
Drin Traum dem Leben
zauberhaft sich paarte,
Den Liedern gönnt Freiheit,
wie Euren Saaten.
Und, wenn sich dann ihr
Stimmlein offenbarte:
Wen es erquickt, den lad ich
mir zum Pathen.
Sie schalten Einen: Bücher
mußt du lesen!
Dann hast du Stoffe, daß dein
Geist bereite
Dir Brot und Schlaf; denn
wirklich, Scherz bei Seite,
Dein Zeugnis lautet: Fleiß nie
dagewesen.
Da sprach der Eine: Eurer
Achtung Spesen
Zwar geben mir behagliches
Geleite;
Doch, wenn mein Pilgern und
mein Schaun in’s Weite,
Mein Suchen, Kämpfen, Leiden
und Genesen,
Wenn was ich gab, was
überreich genossen,
Dies Leben schön, doch
wechselvoll wie keines,
Wenn dies nicht Arbeit, dann –
seid nicht verdrossen! –
Dann ist mein Haupt gleichsam
voll süßen Weines:
Die Reben hab mit Herzblut ich
begossen,
Das Licht gab Gott mir, doch
das Feld war meines.
Fort vom Altar, den dies
Jahrhundert bauet,
An welchem Stolz und Flachheit
celebrieren,
Ruft eine wunderschöne Frau
die Ihren,
Mit Pfaden in ein bessres Land
vertrauet.
Ein Sonntagssohn der Fürstin
Auge schauet,
Und taumelnd, wo Vernünftige
studieren,
Das Herz ihn lehrt, niemals
die Spur verlieren,
Auf ihn herab Weisheit aus
Blüthen thauet:
„Greif zu, halt fest, was
lieblich und was flüchtig,
Ob schöne Mägdlein, oder
schöne Stunden,
Doch reinen Sinns zu reiner
Freude tüchtig,
Und Leben bleibt Dir, wo Du
Glück gefunden.“
Dies sein Gesetz. Ihr Herrn,
nicht eifersüchtig!
Er ist ein Prinz vom Land der
Vagabunden.
Die Locke schneeweiß und der Bart
wie Linnen,
Auf freiem Feld den Sterbenden
zu decken,
So trägt ein bleicher
Wandersmann den Stecken
Durch Wald und Weiler, Strom
und Meer von hinnen.
Sein Blick ist sanft,
fremdartig sein Beginnen,
Die Hunde schmeichelnd seine
Hände lecken
Und Kinder beide Arme nach ihm
strecken,
Er liebkost sie und scheidet
tief in Sinnen.
Denn ihm am Herde Sehnsucht
hat gesessen,
Ein Dämon, dessen Ruf von
Klagen heiser,
Und Meilen nimmer seine
Schritte messen:
Glück suchet er, halb
thöricht, halb ein Weiser,
Und findet endlich, findet –
Selbstvergessen.
Da küßt ihn Friede, aber Tod
noch leiser.
O Sommernacht, der Arbeit
duftige Wiege,
Behütet wie mit
Engelsschlummerliedern,
Du lockest von den
sanftgestreckten Gliedern
Die stille Seele, daß sie
heimwärts fliege.
Und holder Traum zu einem
leichten Siege
Aus Sternenbahnen schwebet in
die niedern
Und decket sie, als ob in
Prachtgefiedern
Zur Ruh das Haupt ein müder
Vogel schmiege.
Manchmal verräth
Guitarrenklang und dort
Ein Uhrenschlag, ein
zärtliches Gekore,
Ein durch die Gassen
hergerufnes Wort,
Der Erde Schlaf nur flüchtig
sei, nur lose.
Dann – st! kein Laut, bis Eos
scheuchet fort
Vom Thurm des Sternlicht um
die Kreuzesrose.